Kino

In der Klinik gibt es ein Kino. Nein, das stimmt nicht so ganz. Öfter mal schauen wir uns in einem großen Raum gemeinsam DVDs an - Mit Beamer, Leinwand, Soundsystem und Popcorn. Der Internatszivi gibt sich richtig Mühe, eine Kinoathmosphäre zu schaffen.
Aber jetzt möchte ich einfach mal wieder ins richtige Kino - Schauen wir mal, wie das mit dem Rollstuhl funktioniert.

Das Kinoprogramm ist im Internet abrufbar, da wird sich bestimmt estwas finden, was uns allen gefällt.
Der Film, der wir sehen möchten, wird heute nicht gespielt. Warum, erfahre ich am Telefon nicht, aber dass das Kino, in dem er läuft, nicht barrierefrei ist.
Gut, dann eben das Kinocenter, da wird er auch gezeigt.
Also - alle Mann ins Huschdegudsl gequetscht, der Rollstuhl kommt zerlegt in den Kofferraum, und ab!

Dumm - Donnerstag ist Premierentag, entsprechend lang sind die Schlangen vor den Kassen.
Endlich sind wir dran: "Guten Abend, bitte ein Rollstuhlfahrer mit Begleitperson, und noch 2 Karten für Kino 8".
Der Mensch hinter der Kasse schaut, als müsse er eine schlimme Nachricht überbringen, der muß vorher als Bestatter geschafft haben.
Na los, eintippen, Karten raus lassen, in 10 Minuten geht der Film los und ich will noch Popcorn...
"Tut mir leid, aber Kino 8 hat keinen Rollstuhlplatz und auch keinen Lift"
Haben die sich verabredet, oder wird der Film Rollstuhlfahrern nicht gezeigt? 2 Kinos angefragt, in beiden wird genau der Film in Kinos ohne Rollstuhlplatz gezeigt, das macht genau 100%.
Bin ich sauer! Das gibts doch nicht, ist das jetzt schon Diskriminierung?
"Suchen Sie sich doch einfach etwas anderes aus, ich bediene derweil die Leute hinter Ihnen".
"Ja bitte?" Und schon hat er sein Berufslächeln wieder angeknipst und uns sofort komplett ausgeblendet.
Jetzt haben wir ein Problem. Der Film, den unsere Jugend sehen möchte, geht ziemlich lange und ich mag ihn überhaupt nicht.
Meine Alternative sagt jetzt meiner liebsten Filmguckerin auch mehr zu.
"Ok, ihr geht da rein und wir da und hinterher treffen wir uns wieder hier unten"
"Ja, aber..."
Sätze, die mit Ja aber anfangen, gehen bei mir ohne Umweg übers Gehirn direkt in den Magen und lösen einen erhöhten Ausstoß von Magensäure aus.
Das bewirkt, dass ich schlagartig meine gute Laune verliere und auf weitere Bemerkungen recht unentspannt reagiere.
"Was, aber?" Leise und mit einem deutlich als Pause erkennbaren Komma.
Meine liebste Vermittlerin schaltet sofort. Ihre Hand liegt beruhigend auf meiner Schulter, um die drohende Explosion aufzufangen.
"Dann dauert der Film eben ein paar Minuten länger. Die können wir warten." Dreht sich zum Kartenverkäufer um und ordert die Karten.

Der Lift im Kinocenter wird mit dem Euroschlüssel freigeschaltet, den hab ich noch nicht.
Kein Problem - eine nette Mitarbeiterin des Kinos schließt uns auf.

Dann stehe ich im Kino.
Direkt neben dem Eingang.
Ganz oben.
Vor mir ist ein Geländer, vor dem Geländer sitzt meine liebste Kinogängerin.
Toll.

Es hat aber auch seine Vorteile, kurz vor der Eisreklame kommt der Eisverkäufer und stellt sich neben mich.
Prima - so kommt die allerbeste Frau von allen (danke, Ephraim) zu ihrer bevorzugten Eisspezialität, gerade, als die Eiswerbung einsetzt.
Ohne, dass sie bestellen muß.

Dann beginnt der Film.
Ich sitze direkt unter der Box, in der das abgespielt wird, was rechts hinten passiert.
So bei Flugszenen, bei denen haut der Flieger meistens nach oben rechts hinten aus dem Bild ab.
Da geh ich jedes Mal in Deckung.
Bei den Dialogen, da muß ich etwas genauer hinhören.

Und dann ist da noch die weißgekleidete Mittfünfzigerin, mit der schwachen Blase.
Entweder die wohnt am Berg oder die hat zu Hause elektrische Schiebetüren. Jedes Mal, wenn sie auf die Toilette geht und wenn sie wieder kommt, läßt sie die Tür auf.
Jedes Mal!
Und draußen stehen ein paar Leute, die glauben, wenn der Gegenüber mehr als eine Hand breit entfernt steht, hört er nichts mehr.

Also, jemand mit dem Intelligenzquotienten einer Wanderameise bemerkt spätestens, wenn das 5. Mal die Tür hinter ihm zugehauen wird,
und jemand lautstark nachfragt, ob man vielleicht zu Hause Säcke vor der Tür hat, dass da wohl etwas nicht so ganz Okay ist.

Irgendwie muß bei manchen Menschen die Intelligenz reziprok proportional zum Blasendruck sein.
Nee, kann nicht sein, sonst würde sie es ja auf dem Rückweg merken.
Aber vielleicht geht die über die Blase ab - da sollte ich mal meine Katheder genauer inspizieren.
Oder es sind Zwillingsschwestern, die nur eine Karte gekauft haben und sich jetzt alle zehn Minuten abwechseln.
Egal - es nervt!

Nee, mal im Ernst, da sitz ich alleine hinter meiner Allerliebsten, kann nicht ablästern, weil mir keiner zuhört, mit Kuscheln im Dunkeln ist auch nix - und da kommt so ne Flitzpiepe, hält sich für Emil Zatopek mach ner Kanne Blasentee und hat keine Ahnung, dass man geöffnete Türen auch wieder schließen kann?
So was kann dir den ganzen Film versauen.

Aber egal, da weiß ich jetzt worauf ich in Zukunft achten muß, nix "Der Film hört sich toll an".
Sondern wie früher, "Was zeigen sie denn in unsrem Kino"?

Und ich finde noch ein Kino, wo wir nebeneinander Sitzen können.
Außerdem - Da gibts doch so superbequeme Klappstühle. Die nehmen wir immer zu Bogenturnieren mit.
Mhm, da muß ich noch mal genauer drüber nachdenken.

Auf dem Weg nach unten steht eine gigantische Schlange vor dem Parkhausautomat. Moment mal, im Parkhaus ist doch auch einer.
Stimmt. Der ist kaputt.

Und vor dem Automat steht ein freundlicher Herr mit einem Stapel Ausfahrtkarten.
Na also - geht doch.

Dummerweise vergesse ich beim Einsteigen meine Trinkflasche auf dem Autodach. Zum Glück ist das Teil aus Alu, das hört man, wenn die Fliehkraft zuschlägt.
Jetzt habe ich ein Unikat.


Kino mit Rollstuhl ist ein Erlebnis.

Richtig geplant...